26. Nov. 2021
Aus dem Tagebuch eines Kaisers
Weil Wir seit Di Abend ja wieder wach sind, haben Wir heute dem noch Chef gesagt, Wir müssten zum Arzt. Frau Doktorin haben Wir mitteilen lassen, Wir könnten nicht kommen, da Wir krank seien. Und die Sprechstundenhilfe hatte natürlich vollstes Verständnis. Völlig irre. Aber es kommt noch wahnwitziger: Letzte Woche hatten Wir, wahrscheinlich in einem Anflug geistiger Umnachtung, tatsächlich zugesagt, einen der besten Jazzpianisten (Unserer Meinung nach) in einer kleinen Bar in Arbon als Barpianist zu vertreten, als er Uns anrief, aber nur unter der Bedingung, dass keine Apartheid vorherrsche. Das hat er Uns zugesichert. Als Wir aber letztes Wochenende die Bar besuchten, um herauszufinden, auf welchem Gerät Wir da ganz genau pianieren sollten, wollte die Serviertochter als Erstes das Zertifikat sehen. Und einen Pass. Da sie aus dem Ostblock stammt, hatten Wir zu ihr zwar lächelnd gesagt, dass viele einen Schweizerpass wollten, aber waren innerlich schon enttäuscht und gespalten, hatten Wir doch öffentlich verkündet, Wir würden nie für nur G's klimpern und auch deshalb auch seit 2 Jahren höchstens noch Meditationskonzerte gegeben. Gestern, am Do, kurz vor der endgültigen, erlösenden Ohnmacht, kam Uns dann Gott sei Dank, aber mit gehörigem Schrecken noch in den Sinn, dass der Auftritt ja bereits am Abend sei... Diese Tage und Nächte verfliegen ja wie im Fluge. Nur schon, dass Wir Unser Auto gefunden haben, war ein Wunder. Und Arbon. Und besagte Bar. Sie war brechend voll. Die sympathische Besitzerin, die Uns irgendwie von früher kannte (Uns kennen ja irgendwie alle, nur Wir kennen nicht mal Uns selbst), war jetzt auch anwesend und wünschte, dass Wir weder so kompliziertes Klassikzeugs, einschläfernde Balladen und Hyperüberdrüberjazz spielen sollten, sondern halt Lieder, welche die Leute auch kennen und wünschen. In Unserem Zustand war das sowieso klar. Nach dem ersten kleinen Potpourri (auch rein aus Unfähigkeit, Uns 5min auf ein Stück zu konzentrieren) war das uralte Pianoforte voll von diversen alkoholischen Getränken.
Wir stellten Uns dann mal vor und verkündeten, dass das Volk auch Wünsche äussern dürfe. Wünschen dürfe man immer, nur, ob sie in Erfüllung gehen... Obwohl Wir ursprünglich eigentlich ganz brav instrumental und nur als Ambience im Hintergrund bekannte Melodien schnulzen wollten, brüllte der ganze Laden von Anfang an jedes einzelne Stück mit, sehr inbrünstig, aber teilweise derart falsch, dass Wir Uns wieder Erwarten genötigt fühlten, alle zu übertönen, damit Wir selbst nicht völlig aus dem Ruder liefen. Da Wir ja all diese Musikwünsche rein vom Gehör spielen, auch wenn Wir die Songs nur der Spur nach und nur im Entferntesten kennen, natürlich ohne Noten und solch Kinderkram, allenfalls mit ein paar Akkorden und einigen Zeilen Text aus dem kleinen und beweglichen Tonbildfernsprechgerät, welches Wir meistens eh aus Faulheit, Zeit- und Zustandsgründen nicht konsultieren, müssten Wir eigentlich sehr konzentriert auf die innere Stimme horchen, was schlicht durch die beschrieben Sachverhalte gestern unmöglich war, sodass Wir zwischendurch rein aus Versehen mitten in einem Stück in ein komplett anderes wechselten und teilweise auch die bekanntesten Liedstrophen beschämenderweise nach 2-3 Wörtern komplett vergassen... Irgendwann kam Uns dann in den Sinn, wie abgemacht nach etwa 20min ein Päuschen einzulegen, obwohl Wir sowieso während des Spiels rauchten (das ist im Thurgau erlaubt - herrlich!) und Uns reichlich der spendierten Getränke annahmen. Völlig nassgeschwitzt endeten Wir also pflichtbewusst wirr in einem furiosen Finale, indem Wir den Deckel einige Male heftigst zuschlugen, - auch um Unsere völlig ausser Rand und Band geratenen und komplett selbständig agierenden Wurstfinger zu stoppen. Und die recht ansehliche, anscheinend international bekannte Profisängerin irgendeines noch bekannteren Orchesters, dessen Namen Wir schon nach der ersten Silbe vergessen hatten - sie hatte es Uns, in den Momenten, in welchen sie nicht gerade ekstatisch, in jeder Hand einen Longdrink, mitjohlte, noch während Unserer aberwitzigen, fulminanten Performance mehrmals ins Öhrchen gehaucht, derweil sie Uns fast auf dem Schosse sass oder Uns aus schierer Glückseligkeit zu küssen oder zu betatschen versuchte, - aber da war sie die Regel, nicht die Ausnahme. Mindestens 2 Stunden lang hatte sie auch mit ihrem reizenden, französichen Akzent dem ganzen Laden verkündet, sie müsse jetzt unbedingt gehen, (ganz prominente Termine morgen früh!), doch jeweils erst eine halbe Minute später gemerkt, dass Wir schon längste beim nächsten oder überübernächsten Titel waren. Also schlugen Wir nach gefühlt tagelangen Zugaben den Deckel zu, damit es auch die letzten Sirenen merkten, dass Wir jetzt Pause machen würden, und unter tosendem Applaus und ständigen Ovationen warfen Wir einen ungläubigen Blick auf die Uhr: die Sperrstunde war bereits eine halbe Stunde überschritten! Sämtliche Anwesenden, es war immer noch gerammelt voll, sie auch mehr oder weniger, suchten noch Unsere Nähe, - irgendein bekannter berner Musik- und Eventmanager überschüttete Uns wie alle mit endlosen Komplimenten, schwafelte Uns was von seinen Hallenstadionevents und Gedenkkonzerten auf dem Bundesplatz und all seinen prominenten Kontakten vor, während gleichzeitig seine hübsche, junge Begleiterin, eine Logopädin, sich bei Uns über Unsere anscheinend bahnbrechenden Forschungen und Umsetzungen im Pädagogikbereich informieren wollte. (Jegliche Therapien und Methoden, auch in Psychologie, Psychiatrie, Naturheilkunde, Akupunktur, Lehranstalten, Medizin etc. funktionieren einzig und allein, wenn eine gegenseitige Vertrauensbasis und Wertschätzung zwischen den Parteien herrscht. Das bedeutet im Klartext: falls Wir irgendwann wieder unterrichten würden, in einem eigenen Schulsystem natürlich, Schüler (Lernpartner heisst das ja heute) uns kennen oder können, aber das ist eine andere Geschichte.) Die Auftraggeberin der Bar war übrigens restlos begeistert, so ein Spiel hätte sie ja ihren Lebtag noch nicht erlebt und wenn sie nicht schon diesen oder jenen massenmedienbekannten Berufspianeur fix für Dez. gebucht hätte, könnten sich all diese Schlafkappen ihretwegen in Pflegeheimen oder so durchtasten. Aber nächstes Jahr, also wenn kein Lockdown... Am liebsten sogar jeden 2. Do, und sie könnte auch eine noch bessere Gage organisieren, wenn Uns das nicht genüge. (Sie war fürstlich, als hätten Wir ein Massenpublikum beschallt.) Als sie Uns jedoch noch fragte, wieso keine Fans von Seiner Majestät gekommen seien, kamen Wir dann nicht umhin, ihr zu gestehen, dass Wir den Gig vor allem wegen der Zertifickdiktatpflicht natürlich strengstens geheimgehalten hätten und Wir da von ihr enttäuscht seien und deswegen auch die kommenden Veranstaltungen in dieser Bar nicht im Traum wahrzunehmen gedenken. Zu Unserem Erstaunen erzählte sie Uns, dass bei ihr, ausser aus Platzmangel, überhaupt niemand ausgeschlossen werde. Wer sich nicht ausweisen könne oder wolle, der bekomme von ihr gratis einen vom BAG anerkannten, teuren Schnelltest, welcher dann unkompliziert direkt an der Bar von jedem selbst durchgeführt werden kann. Die regelmässig kontrollierenden Behörden hätten sie ausdrücklich dafür gelobt und dieses Vorgehen auch schriftlich genehmigt.. Finden wir ja eine sehr gute Lösung. An dieser Stelle möchten Wir übrigens noch in Arbon einen anderen Verschwörungsschwurbler, Chef eines gut besuchten Pubs mit teuflischem Namen hinweisen, welcher alle Innenräume kurzerhand gesperrt hat und alle gemeinsam nur noch im geheizten Zelt bewirtet. Da sollen Wir ja auch wieder mal spielen, egal was, oder seinetwegen auch seinen interessierten Gästen Vorträge zur Plandemie halten. Man habe auch schon zum Beispiel einen hochrangingen Nachrichtendienstler oder einen Berufsprepper eingeladen, nächstes Mal eine käme Rechtsanwältin. Erstaunlich auch, dass dieses Widerstandsnest Arbor Felix derart kulturell interessiert ist; in St.Gallen ist Livemusik ja eher ein Auslöser für Lärmklagen, ausser natürlich es handelt sich etwa um handwerklich und feinmotorisch stark handicapierte Pseudointellektuelle, welche nur schon rein technisch gar nicht imstande wären, harmonisch passende Klänge einigermassen rhythmisch zu kombinieren, hätten sie nicht noch meistens die Hilfe irgendeines Electrofuzzis, dessen meist rein zufällig erzeugten Maschinengeräusche von der vereinten linken Fachpresse als minutiös ausgetüftelt bewundert wird. Umso kranker es schallt, desto mehr wird es als originell und hochintellektuell abgefeiert und normalerweise mit fetten Kulturbeiträgen belohnt. Und die breiten Massen geniessen es, weil man sich wahrscheinlich dazu so gut degenerieren kann. Nur so abschweifende Gedanken am neolinken Rande, welche Uns auf dem Heimflug, - Spiritus ist schliesslich leichter als Blut -2 Polizeikontrollen dem Allmächtigen sei Dank unbehelligt passierend, zu Sinnen kamen, welche Wir wahrscheinlich eh noch nie beisammen hatten. Strassenregeln gelten für Flugzeuge und Ufos sowieso nicht, da wäre ja das BAZL zuständig, sofern Wir nicht in offizieller Mission als Staatsoberhaupt unterwegs sind. Wenn Uns die uninformierten Uniformierten angehalten hätten, zum Beispiel weil Unsere Reifen weniger Profil als Merkel haben, ein Scheinwerfer Flugzeuge blendet oder weil ein Scheibenwischer mit Klebeband befestigt ist und wohl nach Sichten des Cockpits extra Asservatenhallen errichtet werden müssten; aber, und das darf ruhig wieder mitgeschrieben werden: Übertrieben begeistert ob Unserer grandiosen Leistung, - als Regent ist die Pflege einer sicherlich massvollen Exaltiertheit durchaus fruchtbringend -, hätten Wir Konsequenzen genau heute Nacht wohl für ein einziges Mal, nicht wie sonst alles in Unserem Leben und Geschichte, nicht völlig unnötig übertrieben und hätten die Polizisten wohl lediglich mit einer scharfen Verwarnung davonkommen lassen. Diese Grossmut wäre vielleicht halt doch wieder etwas übertrieben gewesen. Ach, zur Hölle mit diesem exzessiven Moralverständnis, am Ende geht alles vorbei, und Mass ist etwas für die Massen, hu kärs: Macht nix!
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