5. April 2021
Die Reservierung der Osterresidenz und die moderne Eisenbahn
Nachdem Wir Uns nun jahrelang in nicht ganz asketische Einsiedelei begeben und Uns von lästigem Pomp wie Zofen, Hofrat, Schatzkammer, Gewissen, Verstand und Hofstaat entledigt hatten, beschlossen Wir, aufgrund der erschrecklichen Zustände in der helvetischen Confoederation nach reiflicher Überlegung, das Zepter wieder in die Hand zu nehmen und Uns für 3 Tage nach Zureich zu begeben, um dort wieder einmal nach dem Rechten und den unsäglichen Linken zu sehen. Kurzerhand liessen Wir uns eine exquisite Osterresidenz im tiefsten Sündenpfuhl dieses Babels im Herzen Unseres Nachbarreiches reservieren. Besonders angetan waren Wir von der vollmundig angekündigten Spezialausstattung: da war tatsächlich die Rede von fliessend Wasser, einem 24h-Shop und ohne Kaiserschmarren: einer Heizung. Da Wir früher ja viel herumkamen, haben Wir -meistens rotzhageldicht und in diversen Rauschzuständen- scheinbar ganz viele Verrisse über lausige, sündhaft teure Hotels auf buhkingdotkom oder so hinterlassen, weswegen Wir jetzt noch zu diversen Vergünstigungen bemächtigt sind... In diesem Falle handelte es sich um ein Upgrade auf ein Familienzimmer mit 4 Betten, was Wir selbstverständlich dankend annehmen. Wie es der Zufall wollte, lebte der weltbekannte Poet, Bohemian, Herzensbrecher und Hofberichterstatter Gianni Della Scala, welcher Uns schon lange standesgemäss salben wollte, ganze hundertdreissig Meter entfernt, eine Strecke, welche Wir zur Not auch kriechend hinter Uns bringen könnten, wenn keine Postkutsche in der Nähe sein sollte. Bevor wir Uns jedoch auf die strapaziöse Reise begaben, benutzten Wir noch den Nachfolger Unseres beliebten Telegraphen und riefen die Unterkunft an, um mitzuteilen, wann wir anzukommen gedächten. Erstaunlicherweise wurden Wir vom netten Herrn am anderen Ende des Fernsprechgerätes, ohrenscheinlich dem fernen Morgenlande entstammend, darauf hingewiesen, dass er keine Buchung auf Unseren Namen verzeichnet habe. Gefühlte dutzend Male waren wir gezwungen, Unseren heiligen Namen auszusprechen, zu buchstabieren und booking dot com hinüberzuschreien, bis er dann beschwichtigend sagte: "Kommsch Sie einfach, wir finden Lösunk mit Chef."
Zahlreiche Audienzen mit Untertanen, gemeinem Gesindel, blutjungen Zofen, aber auch etwa Museumsbesichtigungen standen auf dem kaiserlichen Organigramm, strategisch wie immer perfekt ausgearbeitet, damit Wir auch ja keine Energie verschwenden würden und voller Freude und grossem Tatendrang bestiegen Wir das rauchlose Dampfross. Auf der Stelle wurden wir vom Kutschführer ermahnt, Wir müssten eine Maske aufsetzen, was Wir natürlich sofort getan haben, denn augenblicklich entfachte Erinnerungen an das gute alte Wien mit seinen dekadenten, erotischen Maskenbällen liessen Uns Freudiges erahnen. Als Unsere niedrigen Erwartungen bitter enttäuscht wurden, legten Wir natürlich den äusserst unmodischen modernen Fetzen beiseite und forderten Mitgefangene mit Unserer gesamten kaiserlichen Weisheit dazu auf, es dem Kaiser gleichzutun, doch wir wurden mit Verachtung gestraft. Wir hätten ja in Unseren kühnsten Träumen nicht geahnt, wie schlimm es um Unser Vaterland wirklich bestellt war...
2 ZUREICH HB, erster Kontakt
Nach der strapaziösen und völlig unerotischen Überlandreise im rauchlosen Dampfross setzten Wir vorsichtig einen Fuss in Zureichs Unterwelt, gerammelt voll von Maskierten, Eisenbahnen in alle Himmelsrichtungen und unzähligen Ladenlokalen mit allerhand Köstlichkeiten aus allen fernen Ländern, welche man zu hirnrissigen Preisen wohl erstehen, aber keinesfalls vor Ort essen durfte, denn normale Gastwirtschaften oder wenigstens gemütliche Sitzgelegenheiten gab es zu Unserer grossen Verwunderung nirgends. "Wegen Corona". Überall stand das niedere Gesinde Schlange und die wahrhaftige Bedeutung des Wortes "erstehen" ward uns schlagartig bewusst. Stehen, erstehen durfte man, aber nur zum Gehen. "To go." Verstehen konnten Wir das alles jedenfalls nicht, und doch erstanden Wir Uns einen Becher dieses modernen muselmanischen Gebräus, welches wach machen sollte. Wie von Corona auf unzähligen Plakaten vorgeschrieben schlürften Wir im Gehen, durch die Maske gefiltert, dieses sündhaft teure und brennend heisse braune Wasser, schon des normalen Adelsstandes äusserst unwürdig... Wer zur Hölle war eigentlich diese nichtsnutzige Schlampe, die hier regierte, alles verbot und überall ihren Namen hinschreiben musste? Wie viele Beispiele in der neueren Geschichte zeigten, war das weibliche Naturell sowieso noch weniger als Ihre - nur auf dem Papier männlichen - Gegenstücke dazu geeignet, irgend etwas anderes als ihren eigenen Haushalt und ihre jämmerlichen Ehemänner zu regieren. Wir wundern Uns immer wieder, wieso das noch niemand gemerkelt hat... Und sich dann noch Krone zu nennen, bescheinigte Uns wirklich den Gipfel der impertinenten Arroganz.
Beinahe hätten Wir das abscheuliche Gesöff in einen Abfluss geschüttet, doch dann, gottlob- und dank, erblickte Unser scharfes Auge lauter kleine Schnapsspender, wahrscheinlich zu Unseren Ehren angebracht. Von jedem einzelnen dieser ausgefeilten Apparaturen spritzen Wir freudig einen kleinen Schuss in den Becher, was das Ganze dann zumindest etwas geschmackvoller und erträglicher machte.
Nach langem Umherirren fanden Wir endlich aus dieser Hades ähnlichen Unterwelt heraus, - wo, war Uns erstmal völlig Schnuppe. Wir rissen sofort die mittlerweile kaffeebraune Maske vom Gesicht, was zur Folge hatte, dass Wir aufgrund Unseres gütigen Antlitzes sofort Bettlern belagert wurden, welche Goldmünzen anscheinend für Spirituosen benötigten. Sie wurden umgehend auf die kleinen Schnapsspender verwiesen. Wie alle anderen überquerten Wir nichtsahnend und planlos wie immer einen Fussgängerstreifen, als feige ein hinterfotziges Attentat auf Uns verübt wurde: ein verkappter Beat Breu mit Helm und Radlerhosen versuchte in vollem Galopp, Uns mit seinem Drahtesel um die Ecke zu bringen. Doch weit gefehlt, des Kaisers muskulöse und durchaus weiträumige Postur vereitelte den Anschlag. Während Wir standhaft und stoisch einfach stehen blieben, flog der Extremist extrem sportlich vor Uns derart kunstvoll ein paar Meter weiter ohne Drahtesel durch die Luft, um dann kunstvoll mit dem Gesicht voraus auf dem harten Strassenbelag zu landen, sodass wir uns gar genötigt fühlten, ihn zu untersuchen. Wir diagnostizierten mindestens einen Ellenbruch und wahrscheinlich auch noch andere Lappalitäten, liessen von der gaffenden und filmenden Meute umsichtig eine Sanitätskutsche bestellen. Selbst verweigerten Wir an Uns eine genauere Untersuchung mit Hinweis auf Unseren berühmten Dickschädel und machten Uns weiter auf den beschwerlichen Weg zu Unserer Osterresidenz. Schwer bepackt verliefen wir Uns ein paar mal, bis Wir endlich auf die grandiose Idee kamen, Unser klitzekleines mobiles Fernsprechgerät als Landkarte zu benutzen. Überall standen kleine Trottinetts zum Mieten im Weg, nur natürlich kein einziges der Marke, die wir schon mal benutzt hatten. Weit und breit kein TIER auszumachen. Zureich schien nicht Tier freundlich zu sein. Endlich in der Osterresidenz angekommen, merkten Wir nach einer geraumen Weile, dass die Rezeption und die Kasse eines kleinen Supermarktes ein- und dasselbe waren. Nach langem Warten wurde Uns Audienz beim osmanischen Herbergsvater gewährt, der zwischendurch immer wieder Kunden auf den Maskenzwang aufmerksam machte - "Machsch Maske!" - und sie während Unserer Bekanntmachung weiter abkassierte. Er behauptete weiterhin freundlich doch störrisch, nichts von Unserer Ankunft und Unserer Buchung zu wissen. Erneut buchstabierten Wir Ihm Unseren erlauchten Namen, zeigten Ihm Unsere Berechtigungsschreiben, bis seine Augen endlich aufleuchteten und er sagte: "Du Familienzimmer!" Richtig, Wir hatten ein Familienzimmer gebucht, das hatten Wir ihm schon ein paarmal erklärt. "Aber Du nur eine?" - "Wir sind viele", hätten wir beinahe geantwortet, doch Wir verzichteten nachsichtig aufgrund der Sinnlosigkeit des Unterfangens auf einen Hinweis zur korrekten majestätischen Anrede und zu den höflichen Sitten und erklärten ihm wild gestikulierend, dass Wir eben besonders viel Platz benötigten. Er übergab Uns, nach Zahlung, den Schlüssel zu Unserer Suite und da viele Kunden warteten, erklärte er Uns, dass er Uns später mit den technischen Details Unserer Unterkunft bekannt machen werde. Hinten im Supermarkt war tatsächlich eine Türe, die in ein Treppenhaus führte, aus welchem lauter Radau erscholl. Anscheinend hatte jemand auf der Treppe geschlafen, und weil Ihn die Zofe beim Putzen geweckt hatte, war er sehr unflätig mit der perfekt hochdeutsch sprechenden Dunkelhäutigen. Er beschimpfte lauthals sie aufs Übelste und er habe ja nur auf einen Freund gewartet, worauf der Kassier/Hotelier/ Portier/Ladenbesitzer zu Hilfe gerufen wurde, welcher aber einfach sagte, er dürfe da nicht schlafen und dann wieder verschwand. Hilfesuchend blickte Uns die schwarze Perle an und da Wir endlich Unsere Gemächer beziehen wollten, beförderten wir den Krakeeler sachgerecht ins Freie und schlossen die Türe hinter ihm. Das Schloss liess sich nur durch einen Uns unbekannten Trick öffnen, welcher Uns dann aber von der dankbaren Beschimpften gnädigerweise verraten wurde. Wir waren von unserer Suite begeistert: 4 Betten, ein Wasserkocher. Fliessend Wasser und wie versprochen eine Heizung. Ansprüche hatten Wir sowieso schon lange keine mehr, Uns blieben nur noch Sprüche. Aufgrund all der langwierigen Hürden fiel der perfekt ausgearbeitete Audienzplan ins Wasser und mit letzter Kraft und schweren Herzens griffen Wir zum Hörer und sagten alle weiteren Audienzen bis zum Abend ab. Wir prokrastinierten und freuten Uns erschöpft auf Unsere Salbung. Doch dazu später mehr...
Ostern, a.C.1, Zureich, Langstrasse
Nachdem Wir uns ausgiebig ausgeruht haben, machten wir uns auf den beschwerlichen Weg zum Statthalter Zureichs. Da Wir ja sehr spirituell sind und Gianni Della Scala Seinem Beschrieb nach lieber nächtelang vor sich hinweint, kauften Wir in der edlen Lounge Unserer Osterresidenz (ein osmanischer 24h Supermarkt) zu Ehren von Catherine Catherine noch eine Flasche "Berliner Luft" und eher für Uns selbst eine Flasche Jack Daniels, dem ultimativen Desinfektionsmittel, das auch die hässlichsten Kröten nach ein paar Litern als Prinzessinnen erscheinen liess. Sicher ist sicher, dachten Wir. Was wussten Wir denn eigentlich über den Schreiberling, ausser Seinen unzähligen Decknamen, die allesamt auf einen schwatzhaften Mönch verwiesen? Nichts, ausser Profilen seinen angeblichen Freunden, einer lockerlosen, durchgeknallten Gesichtsbuchgruppe mit Rahel Hüberli, Nathalie Fretz, , Ingeborg Di Bernardo-Rivera und all den anderen Groupies und Tagedieben, welche er ab und zu mehr oder weniger wahllos markierte, hatten Wir keine vernünftigen Informationen erhalten... Und Gregor Kowalski natürlich. Macht nix, Abenteuer waren Wir uns ja wahrhaftig gewohnt und ein bisschen lebensmüde waren Wir in der letzten Zeit sowieso.
Wie Uns versprochen wurde, war seine Residenz lediglich etwa hundertdreissig Meter entfernt, eine Strecke, die Wir auch ohne Sänftenträger zurücklegen konnten. Wie würde Uns der Schneekönig empfangen? Würde er, wie in einem dramatischen Gedicht beschrieben, seine Gedärme als Kranz tragen? Die Idee mit der Berliner Luft erschien Uns gar nicht mehr so unpassend, als Wir beherzt auf einen der vielen Knöpfe einer etwas in die Jahre gekommenen Plattenbausiedlung drückten. Unverzüglich wurden Wir eingelassen und es begrüsste Uns ungläubig staunend eine Mischung zwischen Nicolas Cage und Hans-Georg Maassen, zumindest, was die Frisur und die Brille betraf. Die Spuren der Lockdowns waren uns beiden deutlich anzusehen, aber da Uns ja von den Ansprüchen nur noch die Sprüche geblieben sind, betraten Wir neugierig sein Reich. Unser erster Staatsbesuch, sozusagen. Nachdem Uns der Herr mehrmals ungläubig gefragt hat, ob wir auch wirklich Seine Majestät seien und Wir immer wieder glaubhaft versichern mussten, dass Wir eben den schwarzen Gürtel in Photoshop besässen, wurde Uns ein ganz passabler Thron zugewiesen, den wir auch sicherheitshalber die ganze Nacht lang nicht mehr verlassen sollten. Des Kaisers wundersames Antlitz lässt für gewöhnlich scharenweise Untertanen in Schockstarre verfallen, bei Damenzimmern löst es auch häufig eine Mischung zwischen Fluchtreflex, Mutterinstinkt und plumpen Anbiederungsversuchen aus. Der eigentliche Grund für das erste der Zehn Gebote dürfte jetzt ein für alle Mal geklärt sein. Das Festhalten an schnöden Äusserlichkeiten ist der schnellste Weg zum Unglück! Wir hoffen, ihr habet diese Weisheit mitgeschrieben. Der Hausherr schickte nach seiner Zofe, einem äusserst liebenswerten Wesen, welches sich den ganzen Abend wirklich rührend um Seine Majestät und ihren Hausherrn kümmern sollte. Zur Zeit stand sie in der Küche und bereitete irgendeine kalte Platte vor, von welcher Wir bis zum Schluss der Festivitäten nicht einen einzigen Happen genommen haben würden. Die nächtelangen Strapazen mit ihrem Dienstherrn waren ihr noch deutlich anzusehen, was sie selbst auch betonte, doch das würde sich im Verlaufe der kommenden Orgie sicher bald zum Besseren wenden. Auf das Geheiss ihres gestrengen Meisters kredenzte sie den beiden Herrschaften zum Anfang ein Gläschen Wein, was den Weg in des Kaisers Verderben ebnen würde, hatte er sich doch zuvor jahrelang strenger Askese unterzogen. Na ja, meistens jedenfalls...
Teil drei ist irgendwie verschollen, doch seit der Salbung sind Wir nicht mehr dieselben. Wir sind Viele!
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