Nathalie Fretz

28. Dez. 20228 Min.

Knirschen

Aktualisiert: 5. Jan. 2023

BRUXISMUS: Knirschen/Pressen aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Nathalie Fretz, TCM Therapeutin, hat uns freundlicherweise hier das Manuskript ihres Vortrages zum Thema «Bruxismus» bereitgestellt.

Vorwort
 
Ziel meines kurzen Vortrages von heute ist, einen Einblick in die Denkweise der
 
Traditionellen Chinesischen Medizin zu geben. Diese unterscheidet sich nämlich grundlegend von der Medizin, mit der wir hier in Europa aufgewachsen sind. Ebenso
 
unterscheidet sich die TCM von anderen Methoden, wie z.B. der Homöopathie.

Diese z.B. hat den Grundsatz, Gleiches mit Gleichem zu behandeln.

In der TCM ist es genau anders rum: Bei Kältesymptomen führen wir Wärme zu, bei Hitzesymptomen verschreiben wir kühlende Arzneimittel. Wir gleichen also ein Ungleichgewicht aus, denn oberstes Ziel ist die Balance zwischen Yin und Yang. Hierzu später mehr.
 

Zu meiner Person
 
Ich habe die 4-jährige Ausbildung zur TCM Therapeutin im 2007 abgeschlossen. Kurz
 
danach habe ich mich selbständig gemacht und bin seit 2013 in Wiedikon in einer
 
Praxisgemeinschaft mit meiner Schwester, Psychiaterin und Psychotherapeutin, tätig. Ich bin bei allen Krankenkassen anerkannt.
 
Wie kam ich dazu, mich auf Bruxismus zu spezialisieren? Ich habe während der
 
Ausbildung bei mir selber festgestellt, dass ich in stressigen Situationen presse. So
 
habe ich mich in die Thematik eingelesen und bei mir selber erste Erfahrungen
 
gesammelt, wie Akupunktur Linderung der Symptome verschaffen und zur
 
Entspannung beitragen kann.
 

 

1. Teil: Akupunktur als wichtige Säule der TCM im Allgemeinen
 

Allgemeines
 
Die Akupunktur ist eine der fünf Säulen der TCM und ist hier im Westen wohl die
 
bekannteste und am meisten angewandte dieser fünf Säulen. Die anderen vier sind die
 
chinesische Arzneimitteltherapie, die Tuina Massage, die Diätetik nach TCM und Qi
 
Gong.


 
Als Behandlungskonzept der TCM basiert Akupunktur auf der Lehre von Yin und Yang
 
und wurde später durch die Fünf-Elemente-Lehre und der Lehre von den Meridianen ergänzt.


 
Grundlehre Nr. 1 - Yin und Yang

Yin und Yang stehen für die Grundkräfte des Lebens. Sie bilden eine Einheit, sind
 
untrennbar miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Ihr Symbol soll die
 
Wechselwirkung der polaren Kräfte (Hitze & Kälte, Tag & Nacht, etc.) veranschaulichen.
 
Yin und Yang stehen sich gegenüber, ergänzen sich aber auch gegenseitig. Jedes kann
 
nur durch die Existenz des anderen sein und enthält gleichzeitig einen Teil des anderen in sich. Auch bei einem gesunden Menschen befinden sich beide Kräfte im
 
Gleichgewicht. Gerät dieses Gleichgewicht aus dem Takt, kann dies zu Krankheiten
 
führen. Nach dem Verständnis der Traditionellen Chinesischen Medizin ist daher jede
 
Krankheit auf ein Ungleichgewicht des dynamischen Zusammenspieles zwischen Yin
 
und Yang zurückzuführen.


 
Grundlehre Nr. 2 - Die 5 Elemente
 
Als Erfahrungsmedizin basiert die TCM auf Beobachtungen von Naturgesetzen, die auf
 
den Menschen übertragen wurden. Daher ist auch die 5 Elemente-Lehre bzw. das
 
Konzept der 5 Wandlungsphasen tief in der traditionellen chinesischen Philosophie
 
verankert. Sie besagt im Grunde, dass sich alles – auch Organe und Funktionen – in die 5 Grundelemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser aufteilen lässt. Diese fünf
 
Elemente gelten als Grundkräfte der Natur, die sich auch in jedem Menschen
 
wiederfinden. Sie sind jedoch nicht statisch, sondern unterliegen einem ständigen
 
Wandel und stehen in dynamischer Wechselwirkung zueinander. Verdeutlicht werden
 
diese 5 Phasen häufig an der Jahreszeitenfolge, wobei man hier natürlich von 5
 
Jahreszeiten spricht.
 

Hiereine kurze Übersicht in tabellarischer Form, welche Jahreszeit, welcher
 
Lebensabschnitt und welche Funktionskreise dem jeweiligen Element zugeordnet wird.


 
Grundlehre Nr. 3: Die Meridiane
 
Nach Vorstellung der TCM zirkuliert das Qi (also die Lebensenergie) in einem Netz von
 
energetischen Bahnen, die unseren gesamten Körper durchziehen - sowohl an dessen
 
Oberfläche als auch im Körperinneren. Meridiane sind somit Energieleitbahnen, die alle Bereiche des Körpers – also jedes Organ, jeden Muskel und jede Zelle – mit Energie
 
und Blut versorgen.


 
Die TCM unterscheidet dabei verschiedene Meridiansysteme:
 

Die 12 Hauptmeridiane sind je zur Hälfte in Yin (Speicherorgane) und Yang (Hohlorgane) unterteilt und stehen in Verbindung mit den inneren Organ- bzw. Funktionskreisen.

Sie sind sich paarweise zugeordnet, z.B. Niere-Blase, Herz-Dünndarm, und symmetrisch auf beiden Körperseiten zu finden.

Die Hauptmeridiane liegen direkt unter der Haut und sind daher am einfachsten für verschiedene Behandlungen, speziell Akupunktur, zugänglich.

Stimuliert man bestimmte Reizpunkte auf der Haut, kann man laut TCM
 
unmittelbar auf die Organfunktion einwirken. Die acht ausserordentlichen Meridiane
 
haben keine direkte Verbindung zu den Organen und bis auf zwei auch keine eigenen
 
Akupunkturpunkte. Sie liegen im Inneren des Körpers und werden über
 
Verbindungspunkte der Hauptmeridiane aktiviert.

Diese Meridiane stehen in enger
 
Verbindung zu unserer Essenz (Jing) und verteilen die sogenannte Ursprungsenergie im Körper.

Neben diesen gibt es noch sogenannte Luo Gefässe, die die 12
 
Hauptmeridiane über spezielle Punkte miteinander verbinden. Die oberste
 
energetische Schicht bilden die tendinomuskulären Meridiane. In ihnen fliesst die
 
sogenannte Abwehrenergie - Wei-Qi. Diese verhindert, dass krankmachende Faktoren
 
in den Körper eindringen.
 

Qi und seine Funktionen
 
Qi ist ständig in Bewegung. Es fliesst durch die Leitbahnen, die über unseren Körper
 
laufen und ein ganzes System an Kanälen bilden, wie ich vorher schon erwähnt habe.

Qi ist von enormer Bedeutung. Denn in der TCM geht man davon aus, dass Krankheiten aus einem Ungleichgewicht des dynamischen Zusammenspiels von Yin und Yang und ebenso aufgrund von Blockaden im Energiefluss entstehen. Das heisst also, dass eine Schwächung, eine Blockade oder auch ein Überschuss an Qi ein Organ oder auch ein ganzes Organsystem krank machen kann. Durch das Lösen dieser Blockaden mit Akupunktur werden die körpereigenen Regulationsmechanismen und
 
Selbstheilungskräfte gestärkt, sodass die jeweilige Krankheit überwunden oder
 
zumindest gebessert werden kann.


 
Selbst wenn es für den Begriff Qi keine genaue bzw. treffende Übersetzung gibt, wird
 
uns die Bedeutung der Lebensenergie bewusst, spätestens wenn wir wissen, welche
 
Funktionen Qi in unserem Leben übernimmt.
 

  • Qi bestimmt unser Denken und Fühlen

  • Qi steuert alle automatischen und unbewussten Abläufe im Körper

  • Qi reguliert unsere Körperfunktionen

  • Qi wärmt uns von innen und schützt uns vor Kälte

  • Qi hält Organe an ihrem Platz

  • Qi bewegt Blut, Nahrung und Körperflüssigkeiten

  • Qi verleiht uns schöpferische Kraft und Kreativität

  • Qi hilft uns Ruhe und Entspannung zu finden

  • Qi gibt und Selbstvertrauen und Mut

  • Qi schützt uns vor schädlichen externen Einflüssen (Wetter, Keime etc.)

  • Qi hilft uns Viren und Keime abzuwehren und hält unser Immunsystem aufrecht

Grundsätze der TCM


 
Nicht das Symptom, sondern die Ursache der Krankheit behandeln, gehört zum
 
wichtigsten TCM-Grundsatz.

Ebenso gilt:

Solange Yin und Yang im Gleichgewicht bleiben, sind Körper und Geist gesund.
 

Natürlich ist es schwierig, stets im Gleichgewicht zu bleiben, weil unser Alltag ja häufig mit herausfordernden Situationen gespickt ist. Schon nur Autofahren im Zürcher Stadtverkehr kann uns kurzzeitig aus dem Gleichgewicht bringen und so ist es oft ein Leichtes, dass unsere Energie stagniert.

Ziel

Wie bereits eingangs erwähnt soll die Akupunktur den gestörten Energiefluss im

Organismus normalisieren: Die auf den Meridianen liegenden Akupunkturpunkte

werden mittels dünner Nadeln angeregt und der aus dem Takt geratene Energiestrom

wird so reguliert.

Eine Akupunkturbehandlung hat also zum Ziel, den Organismus auszugleichen, die

Harmonie zwischen Geist und Körper mit seinem Umfeld wieder herzustellen und

gegen schädigende Einflüsse widerstandsfähiger zu machen.

Wirkung

Nach dem Verständnis der TCM lassen sich durch das Setzen der Akupunkturnadeln

Störungen im Energiefluss beheben: Blockaden werden also durch Akupunktur gelöst.

Daraus ergeben sich verschiedene Wirkmechanismen, zum Beispiel:

• Schmerzlinderung

• Regulierung der Muskelspannung

• Wirkung auf das Immunsystem

• Einfluss auf Hormonkreisläufe

• durchblutungsfördernde Wirkung

• Wirkung auf das vegetative Nervensystem

• Ausgleichende Wirkung im psychischen Bereich

2. Teil: Akupunktur im Speziellen: Bruxismus und Pressen

Allgemein
 
Immer mehr Menschen knirschen mit den Zähnen oder pressen diese zusammen. Das
 
Zentrum für Zahnmedizin in Basel z.B. stellte im Februar 2022 eine deutliche Zunahme
 
von einem Drittel seit Frühling 2020 fest.

Was sind nun also die Ursachen dafür?
 
Ursachen und TCM Diagnostik Nocturnaler oder diurnaler Bruxismus, an dem Untersuchungen zufolge mehr Frauen als Männer leiden, kann verschiedene Ursachen haben. Ich stelle bei den meisten meiner Patienten folgende Ursachen fest:


 
• enormer Druck: Leistungsdruck, psychischer Druck
 
• übermässiger Stress
 
• Dauerbelastung im Alltag


 
Der Körper versucht ergo, diese enorme Anspannung, die sich über einen längeren
 
Zeitraum aufgebaut hat, durch das Pressen der Kiefer aufeinander abzubauen. Im
 
ersten Teil haben wir über Yin und Yang gesprochen. Anspannung kann dem Yang,
 
Entspannung dem Yin zugeordnet werden. Es entsteht also ein Ungleichgewicht dieser
 
beiden Aspekte.


 
Nach TCM Diagnostik stelle ich in der Praxis vorwiegend eine Blockade im

Leber-Meridian fest. TCM Therapeuten reden hier von der Leber-Qi-Stagnation.

Woher kommt diese Blockade der Leber-Energie?

Die Leistungsgesellschaft von heute führt leider häufig zu Leber-Problemen. Und wenn wir von Leber reden, dann ist damit nicht das Organ gemeint, sondern eine Funktion.


 
Die Leber ist in der TCM für das freie und harmonische Fliessen des Qi zuständig.
 
Darüber hinaus ist die Leber der Freigeist unter den Organen. Sie liebt das Kreative,
 
will ihre Vision ausleben und sich individuell verwirklichen. Das wäre der Idealzustand.


 
Doch zu viel Druck und zu viel Müssen bringen diesen Fluss zum Erliegen.
 
Dieser auf das Leber-Qi wirkende Stresszustand ist dafür verantwortlich, dass die
 
Muskeln im Schulter- und Nackenbereich fast schon dauerhaft verspannt sind. Dies
 
wiederum kann in der Folge zu einer Fehlfunktion des Kauapparates und
 
Kiefergelenkes führen.
 

Stress in allen seinen Formen lässt sich wirkungsvoll mit Akupunktur behandeln. Zudem erzielen wir mit der Akupunktur eine Muskelentspannung, eine ausgleichende Wirkung auf die Psyche, eine Schmerzlinderung und last but not least können wir mit der
 

Mögliche Folgen von Bruxismus
 
Gesichtsschmerzen, Kopfschmerzen und/oder Migräne, Schwindel, Verspannungen im
 
HWS-Bereich, Schulterschmerzen, Tinnitus
 
Auch diese Folgeerscheinungen können in der Regel gut mit Akupunktur und, falls
 
indiziert, zusätzlich mit der Tuina Massage und gua sha (Schabe-Technik) behandelt
 
werden.


 
Ganzheitlicher Therapieansatz
 
Die meisten Patienten, die zur Behandlung des Zähneknirschens bei mir in Behandlung sind, haben bereits Erfahrungen mit anderen Therapien, wie z. B. Aufbisschiene, Physiotherapie, Schmerzmitteln usw. Wenn aber das Zähneknirschen nicht nach den zugrundeliegenden Ursachen, sondern nur nach den Symptomen behandelt wird, so kommt es häufig vor, dass das Bruxen unter Umständen auch mit leichteren Beschwerden wiederkehrt. Wie ich im ersten Teil erwähnt habe, lautet ein zentraler Grundsatz in der TCM, dass man nicht nur symptomatisch sondern vor allem ursächlich behandelt.
 

Ein grosser und wichtiger Vorteil der Akupunkturbehandlung ist, dass ich individuell auf den Patienten mit allen Aspekten, die ihn ausmachen, eingehen kann. Für die
 
Erstanamnese nehme ich mir also viel Zeit. In der Regel dauert diese 60 Minuten oder
 
auch etwas länger. Die Folgebehandlungen dauern in der Regel dann ungefähr 45
 
Minuten.


 
Die Akupunkturmethode ist ein sehr wirksames und ganzheitliches Verfahren, das sich besonders zur Behandlung von Schmerzen und Funktionsstörungen bewährt hat. Da ich bei den meisten Patienten, wie bereits erwähnt, eine Stagnation der Energie im
 
Funktionskreis Leber sehe, ist es wichtig, bei der Behandlung den Qi-Kreislauf zu
 
fördern (Di 4: Kommandopunkt für den Kopf in Kombination mit Le 3).

Darüber hinaus kommen für Bruxismus in der Regel folgende Therapieansätze in Frage:
 

 
• Durch direkt auf die Kiefergelenke und die Kaumuskulatur einwirkende
 
Akupunkturpunkte lassen sich Überbelastung, Schmerzen und
 
Bewegungseinschränkungen deutlich mildern


 
• Spezielle übergeordnete Akupunkturpunkte, vor allem an den Extremitäten wirken
 
zusätzlich muskelentspannend
 

 
• Akupunkturpunkte mit Wirkung auf die Psyche unterstützen die Verarbeitung von
 
Stress und fördern die Entspannung
 

Was mir zentral erscheint bei Bruxismus, ist, das Augenmerk auch auf Alltagssituationen zu lenken, die zu Stress, Anspannung und Belastung führen. Der Therapieerfolg wird um einiges grösser, wenn der Patient in seinem Alltag Veränderungen vornimmt, die begünstigend auf die Grundthematik einwirken. Mir ist bewusst, dass das nicht immer und sofort möglich ist, aber im Laufe der Therapie ist es etwas, das ich grundsätzlich anspreche.


 
Behandlungsdauer und Behandlungsfrequenz
 
Häufig werde ich gefragt, wie oft man nun Akupunktur machen muss. Diese Frage lässt sich pauschal nur schwer beantworten. Gemäss meiner Praxiserfahrung ist es so, dass man in der Regel mit 8 bis 12 Sitzungen rechnen sollte. Es ist mir natürlich ein grosses Anliegen, dass der Patient so schnell wie möglich eine Linderung seiner Symptome verspürt.


 
In der Regel ist es sinnvoll, zu Beginn ein Mal in der Woche zu behandeln. Sobald sich
 
die Beschwerden verbessern, kann man darüber nachdenken, das

Behandlungsintervall auszudehen auf alle zwei Wochen oder auf eine monatliche Behandlung.

Übungen für das Kiefergelenk für zu Hause
 
Bei Bedarf und Interesse gebe ich den Patienten das folgende PDF mit
 
Übungsanleitungen für zu Hause mit.


 
https://www.hirslanden.ch/content/dam/klinik-birshof/downloads/de/centres/physiotherapie/birshof-physiotherapie-%C3%BCbungen-f%C3%BCr-das-kiefergelenk.pdf
 

Studien
 
In einer Studie aus dem Jahr 2007 verbesserte sich der Muskelschmerz signifkant bei
 
Patienten die Akupunktur erhielten. In einer weiteren Studie aus England mit 70
 
Teilnehmern gaben 85% an, dass Akupunktur ihre Schmerzen um 75% verbesserte.
 

https://www.practicalpainmanagement.com/pain/maxillofacial/tmj/acupuncture-new- approach-temporomandibular-disorders

Zu unserer Praxis:

https://www.tcmzuerich.ch/

Originalmanuskript zum Download:

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